Ostsee-Zeitung
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Der frühere Bausoldat Stefan Wolter im Gemeinschaftsraum der Bausoldaten im Block V. Die Karte an der Wand ist über 20 Jahre alt und eines der wenigen erhaltenen Dokumente dieser Zeit. F.: Küma

Freitag, 24. August 2007  |  Ostseebäder

Bausoldat will Gedenken in Prora


Der ehemalige Bausoldat und Autor Stefan Wolter möchte das Gemeinschaftszimmer der Bausoldaten im Block V erhalten.

Prora
Wer den früheren Bausoldaten Stefan Wolter (40) heute sieht, würde kaum glauben, dass er am Bau des Fährhafens Mukran vor allem mit den Schwerarbeiten beschäftigt war. Den „Prinz von Prora“ hatten ihn Vorgesetzte bei der NVA genannt. Rund 15 000 Bausoldaten, der Insiderbegriff für Wehrdienstverweigerer der DDR, waren zwischen 1964 bis 1989 beim Militär der DDR stationiert und tätig. Vor allem für den Bau des Fährhafen Mukran wurden sie Ende der 80er-Jahre unter nach Wolters Angaben anfangs skandalösen Zuständen auf Rügen kaserniert. Erst im Zelt untergebracht, wurde später der Block V in Prora für die Bausoldaten eine Bleibe mit dauernder Schikane. Dort soll nun nach Wunsch des Landkreises eine Jugendherberge einziehen. Der Campingplatz davor ist nahezu fertig. Wolter schrieb in seinem 2005 erschienenen Buch „Der Prinz von Prora“ erstmalig in diesem Umfang darüber und löste eine allgemeine Debatte über Bausoldaten in der DDR aus.

Jetzt ist er zurückgekommen. Mit einem neuen Buch im Gepäck, das die Reaktionen ehemaliger Bausoldaten dokumentiert. Sein Ziel: Das Bausoldaten-Gemeinschaftszimmer am Treppenhaus 8, 4. Stock. Heute zeugt allerdings nur noch eine weit über 20 Jahre alte Karte an der Wand und der braune Anstrich der Deckenunterzügen davon. „Mir wurde von Dr. Rainer Stommer im Prora Zentrum e.V. , in dem auch die Landrätin Mitglied ist, versprochen, dass wir hier was machen können. Nun sehe ich die Entkernungsarbeiten und habe Sorge um die Karte“, sagt Stefan Wolter vor Ort und bemüht sich um Kontakt ins Bauamt des Landkreises. Dort ist Bauamtsleiter Rainer Roloff höchst überrascht: „Ich höre davon das erste Mal und das von Herrn Wolter“, sagt er. Und bot ihn gleich zu einem Termin. Natürlich sei vorgesehen, zusammen mit dem Deutschen Jugendherbergswerk (DJH) dort etwas zu machen. „Dass der Raumwunsch so konkret ist, erfahre ich jetzt ebenfalls zum ersten Mal“, so Roloff.

„In diesem Raum, unter dieser Karte, haben wir unsere Briefe geschrieben. Ein paar Meter weiter ist unser Zimmer gewesen. Natürlich kann man die Geschichte der Bausoldaten unter dieser Authentizität nirgends anders besser dokumentieren“, weiß Wolter dazu. Er macht sich auch Sorgen, dass die Debatte, die durch sein erstes Buch ausgelöst wurde und nun im neuen Buch dokumentiert wird, ins Leere läuft. „Viele machen sich jetzt erst auf, an den Platz ihrer Demütigung in Prora. Es wäre schade, wenn diese Chance eines Gedenkplatzes vertan würde. Erst jetzt beginnen viele, das alles aufzuarbeiten“, so Wolter.

In seinem zweiten Band „Der 'Prinz von Prora' im Spiegel der Kritik“ schreibt Wolter seine Geschichte mit zahlreichen Stimmen anderer zum Leben der Bausoldaten in der NVA und der Forderung nach einem Gedenkplatz weiter.

Dr. Rainer Stommer äußerte sich auf Nachfrage dahingehend, dass er noch letzte Woche mit Rainer Roloff zusammensaß und von Arbeiten in Prora nicht die Rede gewesen sei. „Mir ist da nichts gesagt worden, aber natürlich würden wir begrüßen, wenn dort auch die Bausoldaten erwähnt wären. Dafür setzen wir uns im Übrigen schon seit Prora03 ein.“

ANDREAS KÜSTERMANN


Leserbrief 28.8.2007

Gedenkstätte in Prora
Ich wurde eher zufällig auf den Artikel „Bausoldat will Gedenken in Prora“ aufmerksam, der am 24.8.2007 in der Ostsee-Zeitung erschienen ist. Das Thema interessiert mich sehr, da auch ich als Bausoldat in Prora eingesperrt war. Ein Dank zunächst an den Verfasser Andreas Küstermann.
Dass leider nur wenige ehemalige Proraer Bausoldaten von diesem Artikel erfahren werden, hängt damit zusammen, dass fast alle Betroffenen aus dem Süden der ehemaligen DDR nach Prora zum „Wehrdienst“ eingezogen wurden. Das war nur eine von vielen Schikanen, die die Bausoldaten über sich ergehen lassen mussten. Viele ehemaligen Bausoldaten sind noch heute traumatisiert durch die schlimmen Erfahrungen und Erniedrigungen, die sie in Prora erlebt haben. Leider gab es auch Bausoldaten, die die physischen und psychischen Repressalien der damaligen Machthaber nicht überlebt haben. Ist das auf Rügen überhaupt bekannt?
Im Laufe der 80er Jahre waren viele hundert Bausoldaten dort. Bisher hatten nur wenige den Mut, über diesen Abschnitt ihres Lebens nachzudenken und ihn aufzuarbeiten. Stefan Wolter hat nun mit seinem Buch „Hinterm Horizont allein – der Prinz von Prora“ das Schweigen gebrochen. Immer mehr Proraer Bausoldaten wollen nun auch nicht mehr abwarten, nehmen untereinander Kontakte auf, richten Internetseiten ein (z.B. www.Proraer-
Bausoldaten.de), versuchen nachzuholen, was versäumt wurde.
Wenn man jetzt nach den vielen Jahren mit der Aufarbeitung beginnen will, merkt man allerdings schnell, dass es kaum noch Spuren oder anderes Material über diese Zeit in Prora gibt. In keinem Militärarchiv in Deutschland fand man z.B. Unterlagen über meine Person. Selbst in den Stasiakten fehlt diese Zeit komplett, obwohl ich in Prora nachweislich mit der Stasi zu tun bekam. Gleiches berichteten mir auch andere ehemalige „Spatis“. Die NVA-Vorgesetzten und Stasileute haben scheinbar die lange Zeit der „Ruhe“ genutzt, systematisch Unterlagen und Beweise zu vernichten.
Auch im Block V in Prora hat man sich viel Mühe gegeben, die Spuren der Bausoldaten zu verwischen.
Aus diesem Grund ist die gemalte Landkarte in einem der Räume in Prora so wertvoll. Eines von wenigen originalen Details, die noch aus der Zeit der Bausoldaten übrig blieben.
Die Verantwortlichen auf Rügen und in Prora sind gut beraten, die von Stefan Wolter geforderte Gedenkstätte einzurichten! Das sind wir auch denen schuldig, die das System nicht überlebt haben!
Tobias Bemmann (Neinstedt/Sachsen-Anhalt)

 

zurueck11

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