Fragen von Karl-Heinz Schulze

Forum Thema:
Fragen von Karl-Heinz Schulze

Fragen eines ehemaligen Vorgesetzten:
Wie hat sich die militaristische Tradition in der NVA aus der Sicht der Bausoldaten reflektiert?
Wie stehen die ehemaligen BS Heute zu einer Armee, ihren Befehsstrukturen und der militaristischen Tradition?
Welche Standpunkte nehmen die ehemaligen BS Heute zu den Bundeswehreinsätzen ausserhalb der deutschen Staatsgrenzen ein?
Würden ehemalige BS, wenn sie heute um die 20 Jahre alt wären, in der Bundeswehr eine Waffe zu wie auch immer gearteten Einsätzen im In- und Ausland anfassen?
Die letzte Frage stelle ich deswegen, weil es auch bei mir in der 3. Baukompanie BS gab, welche dies in Bezug zur Bundeswehr schon damals nicht ausschlossen.
Ich verbinde damit die Frage der Denkweise, denn alles was der Mensch tut, muss zuerst durch seinen Kopf, ehe er sich in Bewegung setzt. Damit verbunden sind dann auch die sich entwickelnden Motive, Gefühle, Einsichten und Handlungen. (21.10.2007)
Karl-Heinz Schulze (E-Mailadresse Nr.: 18)

Antwort auf die Fragen (21.10.2007)
Karl-Heinz Schulze (E-Mailadresse Nr.: 18)

Guten Tag Herr Schulze,
erst einmal Danke für die interessanten Fragen, die man mal in Ruhe für sich selbst beantworten muss.  Ich plaudere mal aus meiner Biographie, da kann ich vielleicht einiges beantworten.

Mein Vater war Wehrpflichtiger im 3. Reich und kam 1943 als Krüppel von der Ostfront zurück. Wurde vertrieben und kam mit einem Handwagen und nur mit den Sachen auf dem Leib hier an und begann ein neues Leben. Als kleiner privater Handwerker trotzte er allen Bemühungen ihn zu verstaatlichen und dem Sozialismus gefügig zu machen.
Da er ein tiefgläubiger Mensch war/ist und trotz seiner „Erfahrungen“ mit der Staatsmacht, hat er uns immer beigebracht, die Meinung Andersdenkender zu tolerieren! Auch die Tiefschläge im beruflichen, schulischen und sozialem Umfeld lehrte er uns zu akzeptieren. Wer gegen den Strom schwimmt braucht Kraft und muß Rückschläge akzeptieren. Also weder Pioniere, FDF noch Jugendweihe, vormilitärische  Ausbildung.
Zitat: Wenn man eine christliche Weltanschauung hat und lebt, kann man nicht den Organisationen und Riten eines Systems beitreten, die als Grundlage eine materialistische Weltanschauung hat (JugendWEIHE?).

Das wurde knallhart gelebt und mit der Zeit von uns Kindern auch akzeptiert. Vor allem als so ca.  ab 7., 8. Klasse bei den Freunden eine eigene Meinung zu wachsen begann und man so manche interessante Gespräche hatte. Mit diesem konsequenten Lebensstil ausgerüstet, war die erste eigene Entscheidung „Spati“ nur zu selbstverständlich. Aus Gewissensgründen und vor allem auch!!! weil ich für diesen Staat und sein System niemanden töten werde!

Habe dann im Gesundheitswesen gearbeitet in dessen unmittelbarer Nähe ein großes NVA Objekt war. Wir wohnten alle ziemlich eng nebeneinander. So waren meine Gartennachbarn Major bzw. Hauptmann der NVA. Sie kannten meine Einstellung und man akzeptierte dies. Rein menschlich war alles in Butter. Etwas komisch war es, als ich Spati in Uniform in den Urlaub kam und den Nachbarn in Begleitung Ihrer anderen Offiziersgenossen entgegenlief. Das Grußzeremoniell hätte in Prora mind 2 Tage Bau gekostet. Die Nachbarn haben sich mit ´nem Bier am Gartenzaun nächsten Tag „entschuldigt“. Auch das gab es!

Mein Großer ging im Sept. 89 zur Schule, nur nicht zu den Pionieren. Der Elternbeirat (2 Offiziere) kamen nach Hause und machten Agitation und Propaganda… 8 Monate später meinten diese beiden Herren, dass wir ja schon immer einer Meinung…, und zum Wohle der Kinder soll ich doch im Schulbeirat mitarbeiten… Das war die andere Art des Umgangs.

Meine 3 Jungs kamen in das Alter des Militärdienstes (Bundeswehr). Sie hatten ja meine Prorazeit hautnah miterlebt- was nu? Ich habe bewusst keinerlei Einfluss genommen, was ihre Entscheidung anging. Einer entschied sich für den Zivildienst, Einer für eine Offizierslaufbahn, der Dritte, der gar nicht brauchte, machte freiwillig den Grundwehrdienst. Ich selbst kann auch nicht sagen , ob ich heute noch einmal den Waffendienst verweigern würde. Die Argumente pro und kontra halten sich die Waage.

Ich bin aber stolz darauf, dass jeder meiner Männer nach reiflicher Überlegung seine Entscheidung getroffen hat. Und ich bin froh das sie dies in einem Staat machen können, der, egal wie die Entscheidung fiel, ihnen keinen “Knüppel zwischen die Beine“ wirft! 

Es ist doch letztendlich egal welchen Weg man einschlägt, solange man diesen konsequent, tolerant und vor allem !NICHT AUF KOSTEN DRITTER! geht. Das ist letztendich das einzig Verbindende zwischen einer religiös oder rein humanistisch geprägten Lebensweise. Mir ist ein solcher Genosse, Moslem, Jude oder Christ anderer Konfession lieber, als div. Mitläufer, Extremisten oder Dauermissionierer.   Beide Spezies habe ich bei Vorgesetzten aber auch bei Bausoldaten erlebt.
 
Rückwirkend muss ich sagen, die Entscheidung war richtig, ob ich sie noch einmal treffen würde? Ich glaube da müsste man in der Situation selbst stehen. Alles Andere ist reine Spekulation. Inzwischen sind 20 Jahre vergangen die auch geprägt haben.

Mit freundlichem Gruß
Matthias Harmuth

Neuen Beitrag scheiben

zurueck107

_______________________________________________________________________________________________

Startseite; Zum Gedenken; Presseseite; Prora; Fragen; Bausoldaten; Vorgesetzte; Literatur; Gästebuch; Kontakte; Termine; Links

Copyright ©