Lothar Kühne (ehemals Major und Offizier für kulturpolitische Arbeit im Stab
des PiBB Mukran / BE ") E-Mailadresse Nr.: 17

31.8.2007
Herr Kühne antwortet auf die folgenden Fragen der Bausoldaten:
“Im Moment interessiert uns die Zeit nach der Wende. Also der Zeitpunkt, als Sie Prora verließen. Was war damals alles noch in dem Gebäude? Übernahm die Bundeswehr auch Unterlagen von Ihnen, oder waren die bis dahin schon alle vernichtet? Lagerten dort noch irgendwelche Waffen? Es ist nicht zu verstehen, warum man das Objekt mit einem derart hohen Aufwand so lange bewachen ließ. (privater Sicherheitsdienst)”

Sehr geehrter Herr Bemmann,

vielen Dank für die Blumen. Warum sollte man aber nicht offen und ehrlich mit dem Gewesenen umgehen. Es ist nun einmal unsere Vergangenheit und die kann man auch durch Verschweigen oder Schön- / Schwarz-Weiß- Malerei nicht im Nachhinein ändern.

Bereits vor inzwischen vielen Jahren habe ich immer wieder in Gesprächen mit Soldaten (egal welchen Status oder Dienstgrad sie hatten) betont, dass jeder an der Stelle des anderen sein könnte – man hätte nur im Körper des anderen geboren, aufgewachsen und erzogen werden müssen. Unterschiedliche Züge auf unterschiedlichen Gleisen – beide Züge kamen in Prora an und haben dort eine Zeit lang gestanden. Sie wurden auch hin und her geschoben, ent- und wieder beladen – danach ging es weiter auf de unterschiedlichen Gleisen.

Sicher machen sich viele Gedanken, warum die Wege so unterschiedlich waren und so wenige Rastplätze zum gemeinsamen Ausruhen angelegt waren. Aus der heutigen Sicht möchte ich einfach mal behaupten, dass man dem Volk ganz einfach zu wenig zugetraut hat. Die Mehrzahl wurde ganz einfach unmündig und nie als erwachsen erklärt.

Ansonsten hat man ganz einfach die alte Regel „divide et impera“ ganz erfolgreich in Anwendung gebracht. Klappt immer, auch heute noch.

Ich bin mir eigentlich sehr sicher, wenn ich Ihnen zustimme – es wird Diskussionen über Wortmeldung von „Anderen“ auf der Seite eines Bausoldaten- Museums geben und ganz bestimmt auch massiv Kritiken. Sollten Sie auf zu großen Widerstand stoßen – wir können in Kontakt bleiben, nur einer Redigierung meiner Darstellungen werde ich nie zustimmen!

Nun aber zu Ihren Fragen / Anliegen:

Ich werde den ehemaligen Verantwortlichen für den personellen Nachweis kontaktieren. So erhalte ich eventuell Angaben zu den ehemaligen Personalstärken in der BE-2. Allerdings ist er inzwischen schon seit Jahren in Holland tätig. Es kann also etwas dauern. Wie ich aus Gesprächen weiß, gab es in den Jahren vor dem Bestehen der BE-2 in Prora bereits einmal ein Kommando Bausoldaten. Es soll im damaligen Erholungsheim der NVA „Walter Ulbricht“ (Block 1) eingesetzt und untergebracht gewesen sein.

Die Bewaffnung des PiBB / der BE-2 (Maschinenpistolen und Pistolen) wurden bis auf drei Pistolen unmittelbar nach der Auflösung des Truppenteils in Löcknitz (?) abgegeben. Die verbliebenen waren die Ausrüstung der Wache. Bis zu meinem Ausscheiden verwaltete ich auch den personellen Nachweis des PiBB 7 Be-2. Ich übergab am letzten Tag diese dem bis zum letzten Tag in Prora verbleibenden Major Scharf (Stellvertreter des Kommandeurs für Technik und Ausrüstung – STKTA). Wer ihn danach erhielt entzieht sich meiner Kenntnis.

Warum das Objekt auch weiter streng bewacht wurde – ich kann nur Vermutungen anstellen. Der Landkreis hat sich wohl auf Grund der exklusiven Lage und Anlage ein enormes Geschäft versprochen. Interessenten gab es damals wohl auch genug. Eine zerstörte und vom Vandalismus gekennzeichnete Immobilie hätte wohl nicht den erstrebten Gewinn gebracht. Der Kreis hat auch die Rechnung ohne den Bund gemacht und so wurden die Unterhaltungskosten (man sprach von einer Million Mark pro Jahr) vom Bundesvermögensamt Rostock bezahlt. Innerhalb des Gebäudes war nur noch das Mobiliar vorhanden. Davon konnte auch ich mich bei einer „Visite“ überzeugen. Ich hatte nämlich „vergessen“, einen Satz Treppenhausschlüssel abzugeben. Das war ebenfalls das Schicksal des „großen Dienstsiegels“ der BE-2. Souvenir, Souvenir…

Unterlagen zur Baueinheit 2 müßte man gegebenenfalls in Storkow suchen. Vorstellen könnte ich mir auch welche in den Archiven (?) der ehemaligen SED.. Im Bereich der gewesenen Staatssicherheit wird man wohl nicht fündig werden. Einer der Mitarbeiter der „Verwaltung 2000“ (V0) in unserem Truppenteil hat mir gegenüber sehr früh erzählt, dass ihrerseits alles sicher sei und „nichts zu befürchten“ wäre. Immerhin waren im Bereich des PiBB / der BE ja zeitweilig bis zu fünf Offiziere dieses Bindegliedes zwischen Militär und Stasi tätig. Ihr offizieller Dienstbereich befand sich zwischen der Etage des Stabes und dem letzten Treppenhaus. In einer der von mir gelesenen Erinnerungen wird eine Gittertür erwähnt. Die bildete den „Hintereingang“ und befand sich auf der Etage der Bibliothek und des Traditionszimmers. Der offizielle Zugang befand sich auf der Stirnseite des „Stabsflures“ und war ebenfalls mittels Gittertür zusätzlich gesichert.

Zur Vernichtung von Unterlagen kann ich Nachfolgendes erklären. Alle vertraulichen Verschlusssachen (das betraf Angaben zur Struktur bis hin zum militärischen Einsatz im „Mobilmachungsfall“) wurden entweder nach Strausberg per Kurier verschickt oder aktenkundig in dem seeseitigen kleinen Kamin verbrannt (auf irgendeinem Foto ist er neben den in meiner Verantwortung errichteten Sitzgelegenheiten und den Tischtennisplatten zu sehen). Auch ich habe dort in den letzten Tagen des PIBB / der BE gestanden und Berichte, Einschätzungen, Wertungen und anderes verbrannt. Eigentlich alles, was nach meinem Empfinden mir und der Nachwelt absolut nicht mehr von irgendeinem Nutzen sein würde. Hätte ich vorausgesehen, dass ich einmal an einem Museum ein wenig beteiligt werde…

In meinem Bereich sah die Auflösung wir folgt aus: Vom Militärbezirk Neubrandenburg wurde vorgegeben, welche Ausrüstung zurückzugeben sei. Diese wurde bis zum Abtransport zentral eingelagert. Alles Übrige sollte möglichst verkauft werden. Die Gelder wurden auf ein Konto bei der Finanzstelle des Bataillons eingezahlt. Was dann noch verblieb, habe ich vor den Lagerbereichen ausgebreitet und so weit als nur möglich verschenkt. Irgenwie war das schmerzhaft, denn vieles hatte ich mühsam und unter Anwendung einiger (eventuell auch fast krimineller) Tricks in der Vergangenheit im Interesse des Truppenteiles besorgt. Die abzuführenden Sachen übergab ich am letzten Tag einem verbleibenden Unteroffizier.

Soweit für heute meine ergänzenden Erinnerungen und die Beantwortung Ihrer Fragen.

Ich wünsche ein angenehmes Wochenende und mit freundlichen Grüßen bis bald

Lothar Kühne

zurueck28

Prora nach der Wende

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